ESA-Sonde Solar Orbiter passiert Venus

Quelle: dw.com

Untersuchungen des Sonnenwindes

Die Venus ist in den kommenden Tagen ein gefragtes Etappenziel: Auf ihrem Weg ins innere Sonnensystem statten gleich zwei Weltraummissionen unserem Nachbarplaneten einen kurzen Besuch ab. Am Montag, 9. August, nutzt die ESA-Sonde Solar Orbiter den Vorbeiflug, um auf eine neue Umlaufbahn um die Sonne einzuschwenken. Nur einen Tag später fliegt BepiColombo ein ähnliches Manöver, bevor sich die Doppelsonde der europäischen und der japanischen Weltraumagenturen ESA und JAXA auf den letzten Teil ihrer Reise zum Merkur macht.

Solar Orbiter erreicht die Venus als Erstes: Knapp 8000 Kilometer werden den Sonnenspäher, der sich seit Februar 2020 unserem Zentralgestirn auf immer engeren Umlaufbahnen nähert, am Montag, 9. August, gegen 6.42 Uhr MESZ von dem Planeten trennen. Einen deutlich kleineren Abstand zur Venus gibt die Flugroute der europäisch-japanischen Doppelsonde BepiColombo vor: Am Dienstag, 10. August, gegen 15.58 Uhr MESZ wird er nur etwa 550 Kilometer betragen.

Für beide Missionen ist dies bereits die zweite Begegnung mit der Venus. Da einige ihrer Messinstrumente leistungsstärker sind als die früherer Venus-Besucher, bietet auch dieser Vorbeiflug die willkommene Möglichkeit, ganz genau hinzuschauen. Dass beide Sonden unseren Nachbarplaneten in enger zeitlicher Abfolge passieren, ist doppelt gut: So sind gleichzeitige Messungen an zwei verschiedenen Orten in der Umgebung der Venus möglich. Dies kann helfen zu verstehen, wie sich Teilchen und Magnetfelder dort ausbreiten.

Eintauchen in die Ionosphäre

Anders als die Erde und den Merkur umgibt die Venus kein starkes, stabiles Magnetfeld. Allerdings induziert der Sonnenwind, der fluktuierende Strom geladener Teilchen von der Sonne, elektrische Ströme in der Venus-Ionosphäre und erzeugt so ein schwaches, ebenso fluktuierendes Magnetfeld. Zudem verformt der Strom aus Sonnenteilchen die Hülle der Venus so, dass sie an der sonnenabgewandten Seite wie ein Schweif bisweilen viele Millionen Kilometer weit ins All ragt.

Diesen komplexen Vorgängen wollen Solar Orbiter und BepiColombo beim Vorbeiflug nachspüren. Dabei taucht die Merkur-Sonde sogar in die untere Ionosphäre ein; die Instrumente SERENA (Search for Exospheric Refilling and Emitted Natural Abundance), SIXS (Solar Intensity X-ray and particle Spectrometer), MPO-MAG (Mercury Planetary Orbiter Magnetometer) und MPPE (Mercury Plasma Particle Experiment) werden Messungen durchführen.

Magnetfelder als Indikatoren

Die Teilchen und Magnetfelder in der Umgebung der inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars geben Hinweise darauf, warum sie sich seit ihrer Entstehung so unterschiedlich entwickelt haben. Während unsere Heimat eine wasserreiche Gashülle umgibt, wurde der Mars zu einem trockenen Wüstenplaneten, der nur Reste einer Atmosphäre aufweist. Die Venus versteckt sich unter einer dichten, giftigen Atmosphäre, die für einen dramatischen Treibhauseffekt sorgt. Forscherinnen und Forscher interessiert deshalb, durch welche Prozesse Teilchen aus der unteren Atmosphäre der jeweiligen Planeten in ihre Ionosphäre und von dort ins Weltall entweichen.

In den Messdaten von MPPE hoffen Forscherinnen und Forscher, Hinweise auf ungebundene Kohlenstoff-Ionen, sogenannten atomaren Kohlenstoff, zu finden. Seine Existenz in der Ionosphäre würde darauf hindeuten, dass in der daruntergelegenen Atmosphäre nicht nur ultraviolettes Licht einzelne Moleküle spaltet und somit Voraussetzungen für ihr Entweichen ins All schafft, sondern dass möglicherweise auch heftige Zusammenstöße mit Elektronen am Werk sind. Bereits 1996 konnte das Weltraumobservatorium SOHO (Solar and Heliospheric Observatory) atomaren Kohlenstoff aus einer Entfernung von etwa 40 Millionen Kilometern im damals ungewöhnlich langen Ionenschweif der Venus nachweisen; seitdem ist dies keiner weiteren Sonde gelungen.

Nicht zuletzt ist der bevorstehende Vorbeiflug für BepiColombo eine wichtige Generalprobe. Bevor die Sonde Ende 2025 in eine Umlaufbahn um den Merkur einschwenkt, stehen auf dem Reiseplan noch mehrere Merkur-Vorbeiflüge. Die geplanten Messungen an der Venus bieten somit die Gelegenheit sicherzustellen, dass bis dahin alle Messinstrumente in Topform sind.

Datensammlung im Schlaf

Aus wissenschaftlicher Sicht passieren beide Missionen die Venus sozusagen im Halbschlaf: Während einige Instrumente zu ihrem eigenen Schutz ausgeschaltet sind, sammeln solche, die Teilchen und Magnetfelder in der Umgebung der Venus messen können, wertvolle Daten. Dazu gehören auch Messinstrumente, an denen das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen beteiligt ist.

Quelle: funkamateur.de (Info MPS Göttingen Red. FA/-joi)